Personalisieren auf Teufel komm raus

Herausforderung Preis

Klingel
Beispiel Klingel: Der Mode-Shop entwickelte ein sogenanntes Dynamic-Voucher-Konzept. Ziel war es, Gutscheine gezielt und nicht an jeden auszuspielen.
Die handverlesene Auswahl durch die Curated-Shopping-Anbieter ist aber gleichzeitig deren Achillesferse - menschlicher Input ist nun einmal teurer als maschinelle Prozesse. „Wenn man richtig skalieren will, muss man möglichst viel automatisieren“, erklärt Frank Leue, Gründer von 3weine. Das Geschäftsmodell seines Unternehmens ist es, Kunden, die mit dem Weinregal im Supermarkt nicht mehr zufrieden sind, mit einer individuellen Weinauswahl zu beglücken. Um sich nicht auf Luxussorten für Weinkenner zu beschränken, versucht 3weine den manuellen Arbeitsaufwand zu begrenzen. Die Sommeliers des Start-ups kuratieren das Gesamtsortiment, das ausschließlich aus deutschen Weinen besteht. Welche Sorten dann in einer Box landen, hängt davon ab, welche Ess- und Geschmackspräferenzen Kunden dem Unternehmen mitteilen und wie deren Feedback auf bereits erhaltene Lieferungen ausfällt. „Diese Mischung aus Kuration und Personalisierung erlaubt es uns, möglichst kostengünstig zu sein“, erklärt Leue.
Dynamische Ansteuerung
Dynamic-Voucher-Konzept von Klingel: So sieht das von Smart Digital ent­wickelte Konzept
zur gezielten Aussteuerung von Gutscheinen aus.
Das Preisthema bewegt auch Curated-Shopping-Vorreiter Modomoto. „Wir haben in den letzten Jahren oft von Kunden gehört, dass sie zufrieden mit unserem Service sind, sich aber wünschen würden, dass wir auch Rabatte anbieten“, berichtet Unternehmensgründerin Corinna Powalla. Um diesen Kundenwünschen entgegenzukommen und das Geschäft weiter auszubauen, hat Modomoto den neuen Service „Box40“ an den Start gebracht. Der Dienst verknüpft das bewährte Curated-Shopping-Konzept mit einem Club-Modell. Für die Jahresgebühr von 119 Euro erhalten Box40-Mitglieder 40 Prozent Rabatt auf jede Lieferung. „Mit Box40 optimieren wir die letzten Bereiche, die Modo­moto bisher noch nicht optimiert hat: Wir gehen das Preisthema an und wir adressieren damit nicht mehr nur Männer, sondern auch Frauen“, erklärt Powalla. Mit dem Club-Modell sucht Modomoto zudem nach der Lösung für ein weiteres Problem: „Wir sehen, dass die Marketingkanäle immer monopolistischer und teurer werden. Zudem funktionieren diese Kanäle nicht mehr so gut wie am Anfang, viel effektiver sind heute Weiterempfehlungen von Kunden.“ Auf diesen Effekt will Powalla mit Box40 explizit setzen und die eingesparten Marketingausgaben als Preisnachlässe an die Kunden weitergeben. Per Crowdfunding-Kampagne wurden in einer Woche bereits 1000 Abonnenten gewonnen - für die Modomoto-Chefin eine eindrucksvolle Bestätigung ihres Konzepts.
Frank Leue
Frank Leue
Gründer von 3weine
www.3weine.de
„Wenn man richtig skalieren will, muss man möglichst viel auto­matisieren.“

Mails und Gutscheine

Das Online-Marketing bietet also eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Nutzer individuell anzusprechen. Eine häufig genutzte Variante ist das gezielte E-Mail-Marketing. Neben der korrekten Anrede kann der Versandzeitpunkt der Mail individuell an den Nutzer angepasst werden. Vor allem aber erhöht sich die Wirksamkeit von Mails schlagartig, wenn ihr Inhalt personalisiert wird.
Nikolaus von Graeve, Chef der Agentur Rabbit eMarketing, hat viele Kampagnen umgesetzt, bei denen mit immer neuen Content-Bausteinen gearbeitet wurde. Von der Begrüßung über technische Tipps bis hin zu passenden Angeboten oder Sonderaktionen: Immer wieder erhielt der Empfänger eine andere Mail, die möglichst persönlich auf seine Bedürfnisse einging. Um relevant zu bleiben, wechselte sich zudem nützlicher mit überraschendem Content ab. „Bringen Sie Ihrer Frau an einem Tag, der nicht ihr Geburtstag ist, Blumen mit“, rät von Graeve. Für einen Druckeranbieter wurde so ein Zyklus mit 100 verschiedenen Mails entwickelt. Zur Erhöhung der Conversions will von Graeve nichts sagen. Nur so viel: „Eine Verbesserung von 30 Prozent ist erwartbar.“
Eigentlich sei die Personalisierung von Kampagnen anhand von Daten kein neues Konzept, meint John Nardone, CEO des Tech-Anbieters Flashtalking. Es sei allerdings eines, das in den Unternehmen erst Schritt für Schritt umgesetzt werden müsse. „Ein hoher Grad an Personalisierung erfordert Zeit, Vorbereitung und Übung – wie das Erlernen eines Musikinstruments.“
Ein Schritt in diese Richtung ist beispielsweise, wenn ein Online-Shop seine Gutscheine nicht einfach unter all seinen Nutzern verteilt, sondern ganz individuell vergibt. Für den Mode-Shop Klingel hat die Beratungs- und Projektmanagement-Firma Smart Digital ein Dynamic-Vouchering-Konzept entwickelt. Dazu wurden die Sessions der einzelnen Nutzer analysiert und mit gespeicherten Daten verglichen. Ziel war es, den passenden Zeitpunkt für die Ausspielung des Vouchers abzupassen und zu prognostizieren, welcher Nutzer überhaupt einen Gutschein als Lockmittel benötigt, um seinen Einkauf zu tätigen, und welcher nicht. Durch die anschließende Individualisierung der Ausspielung konnte die Zahl der Gutscheine dann deutlich reduziert werden, erklärt Gregor Wolf, Vice President Business Development bei Smart Digital. Der nächste Schritt sei nun, auch die Höhe der Vouchers individuell anzupassen.
Es gibt also noch viel Raum für Optimierungen. Einige Anbieter arbeiten daran, ihren ganzen Online-Shop an jeden einzelnen Kunden anzupassen. Durch Personalisierung des Contents, Kundensegmentierung und andere Insights sollen sich die Shops in Sekundenbruchteilen individuell zusammensetzen und dem User eine auf ihn zugeschnittene Experience bieten. Die Plattform Nosto hat für den Golf-Shop Function18.com solche Maßnahmen umgesetzt und so den Bestellwert im Schnitt um 18 Prozent gesteigert.
Verwandte Themen