Erfolgreiche IT-Projekte in stürmischen Zeiten

Im Gespräch mit Dr. Finn Breuer von CGI

von - 21.04.2021
Dr. Finn Breuer
Dr. Finn Breuer: Executive Consultant bei CGI
(Quelle: CGI )
Im Zusammenhang mit Projekten ist immer öfter von agilen Methoden die Rede. Auf diese Weise sollen zum Beispiel kurze Entwicklungszyklen - auch Sprints genannt - die kontinuierliche Verbesserung bei der Entwicklung eines Produkts oder Dienstes gewährleisten. Dabei bezeichnet Agilität nicht nur die Ausgestaltung eines Projekts, sondern die dauerhafte Ausrichtung unter Umständen des gesamten Unternehmens, wie Finn Breuer im Interview erklärt. Er ist Executive Consultant beim Beratungsunternehmen CGI.
com! professional: Herr Breuer, bei Projekten spricht man häufig von agilen Methoden. Was genau macht Agilität aus? Und worin unterscheiden sich klassische und agile Methoden?
Finn Breuer: Agile Methoden, zum Beispiel Scrum oder Kanban, sind wie das klassische Vorgehen (Wasserfall) Vorgehensmodelle für die Umsetzung von Projekten sowie für die dauerhafte Lieferung von Leistungen in Richtung des Kunden.
Agilität bezeichnet nicht nur die temporäre Ausgestaltung eines (Pilot-)Projekts mit agilen Methoden, sondern die dauerhafte Ausrichtung der IT oder sogar der gesamten Organisation - und damit auch des Geschäftsbetriebs - auf agile Methoden. Mit der Agilisierung von ganzen Organisationen, seien es Unternehmen oder zum Beispiel Organisationen im öffentlichen oder öffentlichkeitsnahen Umfeld, geht die konsequente und kompromisslose Kundenzentrierung einher. Das Ziel der Organisation ist fortan, sämtliche Aktivitäten zur Erbringung von Produkten und Dienstleistungen auf den Kunden auszurichten und im besten Fall bereits während der Produktentwicklung mit dem Kunden partnerschaftlich zu interagieren.
com! professional: Und welche Bereiche eines Unternehmens sind davon betroffen?
Breuer: Der damit verbundene Wandel der Organisation betrifft alle Bereiche und Personen innerhalb der Organisation, seien es Rollen, Abläufe, Zeitrahmen, Kultur, Zusammenarbeit, Entscheidungen, Hierarchien, Technologie et cetera. In manchen Organisationen kommt die Agilisierung einer Revolution gleich.
com! professional: Eignen sich agile Methoden für alle IT-Projekte?
Breuer: Nein. Agile Methoden erfordern veränderte Rollen, Vorgehen, Abläufe und Lieferergebnisse in der Projektorganisation. Der Einsatz agiler Methoden muss gewollt sein und unterstützt werden - unter anderem vonseiten des Managements. Bleibt ein solches Commitment aus, wird es für agil aufgesetzte IT-Projekte schwer, ihr Vorgehen zu erklären und entsprechende Ergebnisse zu produzieren.
com! professional: Agilität passiert allerdings nicht von allein …
Breuer: Zunächst einmal gilt es, die für das jeweilige Vorhaben passende agile Methode zu ermitteln. Hier können praxiserfahrene interne oder externe Experten helfen. Oftmals hilft es, von externen Experten zu erfahren, wie Organisationen in einem vergleichbaren Umfeld mit derartigen Herausforderungen umgegangen sind und welche Erfahrungen gemacht wurden. Ist die passende agile Methode identifiziert, müssen einerseits die verantwortlichen Stellen das agile Vorgehen unterstützen, andererseits wird entsprechend in der agilen Methode geschultes Personal benötigt. Unterschiedliche agile Methoden bringen unterschiedliche Rollen und Verantwortlichkeiten mit sich. Dazu kommen gegebenenfalls spezielle Anforderungen an Zeit, Werkzeuge, Interaktionen und Lieferergebnisse.
com! professional: Ein in der Praxis immer wieder vorkommendes Dilemma sind unklare Anforderungen, die die Basis eines erfolgreichen Projekts bilden. Was sind die klassischen Fehler, die ein IT-Projekt gefährden?
Breuer: Ist nicht klar genug definiert, was sich genau hinter einer fachlichen Anforderung verbirgt und wann diese Anforderung von der IT als „fertig umgesetzt“ gilt (Definition of Done), dann besteht die realistische Gefahr, dass Zeit, Kosten und Qualität aus dem Ruder laufen. Auch wenn die Ziele eines Projekts eigentlich klar sind, nehmen sich erfolgreiche Projekte zu Beginn dennoch bewusst Zeit, um Anforderungen zwischen Fach- und IT-Seite sauber zu definieren, zu dokumentieren und fachlich auf der gültigen Basis zu beauftragen. Änderungen von Anforderungen im Lauf des Projekts sind gängig und werden mithilfe eines Change Requests sauber dokumentiert und zur Umsetzung, zum Beispiel durch die IT, beauftragt. Ein sorgfältiges Vorgehen auf dieser Ebene erspart allen Beteiligten unnötigen Stress und Probleme bei der Umsetzung des Projekts in den gegebenen Zeit-, Budget- und Qualitätsvorgaben.
com! professional: Heutzutage hat ja praktisch jeder im Beruf mit Projekten zu tun. Welchen Stellenwert hat die Projektarbeit in Unternehmen? Wird Arbeit in Projekten neben den eigentlichen Berufsaufgaben wichtiger und anspruchsvoller?
Breuer: Projektarbeit ist heute essenzieller Bestandteil in Unternehmen - ob im Fachbereich oder in zentralen Funktionen wie IT, HR, Legal oder Marketing. In Projekten werden neue oder geänderte Markt- oder Kundenanforderungen umgesetzt, die entweder einmalig benötigt werden oder dauerhafter Bestandteil einer geänderten Organisation werden sollen. Die einmal definierte Organisation zur Befriedigung der statischen Kundenbedürfnisse gibt es nicht mehr.
com! professional: Was sind die Trends? Wie organisieren Unternehmen ihre IT-Projekte in einigen Jahren?
Breuer: Basierend auf der aktuellen Kundenbefragung von CGI, den „CGI Client Global Insights 2020“, ist das Thema Business-Agilität die drittwichtigste Geschäftspriorität von Unternehmen. Doch lediglich 12 Prozent der befragten Führungskräfte erzielen bislang die erwarteten Resultate aus ihrer Business-Strategie. 84 Prozent sehen den kulturellen Wandel im Unternehmen als größte Barriere für das Projektmanagement.
Dabei zeigen Untersuchungen, dass Unternehmen, die hochgradig agil sind, ihre Konkurrenten in Bezug auf Umsatz und profitables Wachstum um das Zwei- bis Dreifache übertreffen.
com! professional: Agile Geschäftspraktiken treiben also die Ergebnisse im gesamten Unternehmen voran …
Breuer: Agile Methoden erobern immer stärker den IT-Bereich und damit auch IT-Projekte. Diese Bewegung zieht mittlerweile auch den Geschäftsbereich mit - in diesem Zusammenhang ist dann von Business Agility die Rede.
Darunter wird aber nicht die „eine“ Maßnahme oder das „eine“ Vorgehen verstanden, sondern die kompromisslose Ausrichtung auf die Kunden mit ihren Bedürfnissen. Kunden werden in Zukunft durch weitgehend autonom agierende Business-Teams begleitet. Diese Teams orientieren sich klar an den Bedürfnissen des Kunden, sind auf Innovation ausgerichtet und beinhalten situativ unterschiedliche Mitspieler aus allen Bereichen der Organisation, also zum Beispiel neben Business-Spezialisten auch situativ Experten aus IT, HR, Legal oder Marketing.
Entscheidungen für den Kunden werden dabei durch die dezentralen Business-Teams schnell, flexibel und nah am Kunden getroffen, ohne langatmige Entscheidungsprozesse von Stellen oder Personen, die weit entfernt vom Kunden sind.
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