Die Liebe der Deutschen zum Bargeld schwindet

Bedürfnis nach Einfachheit und Bequemlichkeit

von - 19.08.2019
"Für Verbraucher steht das Bedürfnis nach Einfachheit und Bequemlichkeit im Vordergrund", argumentiert Wirecard-Produktchefin Steidl. "Auch deshalb wird künftig sehr viel mehr über das Smartphone bezahlt." Gerade bei kleinen Händlern könne das Smartphone oder Tablet auch die Kasse komplett ersetzen.
Doch gibt es Hindernisse, vor allem aus Sicht der Einzelhändler. Ein Hindernis sind Kosten: "Die bisherigen App-basierten elektronischen Verfahren sind Fernzahlungen, auch wenn sie im Laden am POS vollzogen werden", sagt HDE-Bezahlfachmann Binnebößel. POS bedeutet Point of Sale und ist der bei Experten übliche Begriff für die Kasse. "Und dafür fallen Gebühren an. Fernzahlung ist teuer."
Außerdem fehlt bislang ein einheitliches technisches Prozedere für die verschiedenen elektronischen Bezahlverfahren: "Momentan gibt es Insellösungen, aber noch nicht den einen Standard", sagt Binnebößel. "Das wäre eine Entwicklung, die allen zugutekommen würde."

Ein weiteres Manko aus Sicht der Händler: Mit dem am weitesten verbreiteten elektronischen Zahlungsmittel in Deutschland lassen sich nach wie vor keine direkten Zahlungen für Einkäufe im Internet tätigen: "Die Girocard" - landläufig bekannt als EC-Karte - "muss endlich onlinefähig werden", sagt Binnebößel. Denn möglich sind bisher nur Online-Überweisungen oder Lastschrift.

Auch herkömmlicher Bedienkassen stehen vor dem Aus

Doch die Entwicklung schreitet voran. So denken Bezahlbranche und Einzelhandel keineswegs nur darüber nach, wie Bargeld überflüssig werden könnte. Auch der Ladenkasse droht langfristig das Aus. Denn ob bar, Karte oder Handy, bezahlt wird im Laden bisher in aller Regel an der Kasse.

Doch Schlangestehen ist unbeliebt und wäre beim heutigen Entwicklungsstand auch nicht mehr notwendig. "Die Authentifizierung übers Mobiltelefon erlaubt unterschiedliche Formen des Bezahlens", sagt Wirecard-Vorständin Steidl. "So ist es jetzt schon technisch möglich, Artikel im Regal mit dem Smartphone zu scannen und den Bezahlvorgang auszulösen." Ebenso möglich ist das Bezahlen über Gesichtserkennung wie per Handauflegen über Scanner. Wirecard führte seinen Aktionären derartige Systeme kürzlich auf der Hauptversammlung in München vor.
Im Handel heißt Bezahlen ohne Personal und ohne Kasse "self check out", erste Unternehmen wie die Elektrohandelskette Saturn experimentieren damit. Doch auch das bedeutet für die Händler Herausforderungen. Die Umstellung sei "nicht trivial", sagt HDE-Experte Binnebößel. Eine ganz wesentliche Frage: Wie lässt sich massenhafter Ladendiebstahl verhindern, wenn es keine Kasse mehr gibt?
In absehbarer Zeit wird die Ladenkasse nicht verschwinden, sondern unterschiedliche Bezahlverfahren nebeneinander existieren. "Es passt nicht ein Bezahlmodell für alle", meint Wirecard-Produktchefin Steidl. Doch das Bargeld ist auf dem Rückzug.
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