Agilität durch Culture Hacking

Was Culture Hacks auszeichnet

von - 16.10.2019
Dauer eunes Digitalisierungsprojekts
(Quelle: Wipo "Digital Transformation Survey 2019" )
Ein typischer Culture Hack hat laut Mary Mesaglio, Distin­guished VP Analyst bei Gartner, folgende Eigenschaften:
Geringer Aufwand: Culture Hacks sind keine von langer Hand geplanten Riesenprojekte, in denen 30 Leute sechs Monate lang an einem Thema arbeiten. „In den meisten Fällen sollte man einen Hack in weniger als 48 Stunden entwerfen und ausführen können“, betont Mesaglio.
Regelverletzung: Ein Hack bricht Regeln und verletzt Erwartungen. „Auch wenn es nur kleine Nadelstiche sind, erfordert ein Hack doch Mut“, warnt Mesaglio. Damit der Hack nicht nach hinten losgeht, mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt und womöglich die eigene Karriere gefährdet, empfiehlt Mesaglio, sich Verbündete zu suchen: „Teilen Sie ihre Hacking-Absichten mit einer Handvoll Kollegen, denen Sie vertrauen können. Das hilft Ihnen, mutige von selbstmörderischen Hacks zu unterscheiden.“
Unmittelbare Auswirkungen: Ein Hack provoziert Reaktionen und verändert die Rahmenbedingungen direkt. „Man muss nicht lange darauf warten, bis ein Ergebnis zu sehen ist“, ergänzt die Gartner-Analystin.
Sichtbarkeit: Ein guter Hack macht Probleme anschaulich, über die sonst nur theoretisch gesprochen wird. Was für Folgen hat es konkret, wenn Meetings zu lange dauern? Was muss sich wirklich ändern, damit wir kundenzentrierter arbeiten? Solche und ähnliche Fragen werden durch Culture Hacks mit Leben gefüllt.
Emotionale Reaktionen: Culture Hacking spricht Menschen nicht nur auf einer rationalen, sondern vor
allem auf einer emotionalen Ebene an. „Positive und negative Gefühle wie Angst, Überraschung, Schock, Stolz, Scham und Lachen gehören zum Spiel dazu“, unterstreicht Mesaglio. Das emotionale Engagement macht den Hack einprägsam und hilft, echte Veränderungen herbeizuführen. „Menschen verändern sich aus emotionalen Gründen, nicht aus intellektuellen“, so die Gartner-Analystin.

Anwendungsszenarien

Keine konsistente Förderung
(Quelle: Wipo "Digital Transformation Survey 2019")
Culture Hacking wird meist dann eingesetzt, wenn traditionelle Ansätze wie Appelle, Motivationsseminare oder neue Vorschriften nicht zum gewünschten Erfolg führen. „Es ist legitim, indirekte Methoden wie Culture Hacking auszu­probieren, wenn die Belegschaft zu erstarrt ist, um Veränderungen mitzumachen“, sagt Martin Bartonitz von Optimal Systems.
Auch Gartner sieht das Hacking als eine Management-Methode, mit der Führungskräfte ihre Mannschaft auf Kurs bringen können. „Culture Hacking ist in jeder Situation einsetzbar, in der eine Veränderung oder Transformation der gegenwärtigen Überzeugungen, Verhaltensweisen und Arbeitsweisen stattfinden muss“, sagt Mary Mesaglio. Vor jedem Culture Hacking sollten Führungskräfte in wenigen Sätzen ohne Firmenkauderwelsch und Schlagwörter erklären können, was genau sich ändern soll und warum. Die Botschaft sollte außerdem von anderen verstanden und in eigenen Worten wiedergegeben werden können. „Diese Klarheit und Nachhaltigkeit zu erreichen ist nicht einfach, aber es ist absolut notwendig, damit Führungskräfte wissen, worauf sie sich einlassen“, gibt Mesaglio zu bedenken.
Torsten Scheller
Torsten Scheller
Berater und Inhaber von Scheller Consulting
www.scheller.consulting
Foto: Chris Janik
„Es gibt beim Culture Hacking kein Scheitern.“
Andere Experten begegnen diesen Ansatz jedoch mit Vorsicht: „Manager sind selbst Teil des Systems“ wendet Torsten Scheller von Scheller Consulting ein.  „Es ist daher ein Irrtum zu glauben, sie könnten das System unter sich so einfach steuern.“ Scheller sieht Culture Hacking eher als „systemische Intervention“ denn als gezielt einzusetzendes Management-Tool: „Wir geben durch eine Störung einen Impuls in das System“, so der Berater, „aber wir können nicht vorhersehen, wie es darauf reagiert.“ Eine direkte Korrela­tion zwischen Ursache und Wirkung zu postulieren, sei ohnehin problematisch: „Es kann gut sein, dass das Ergebnis meines Hacks meinen Absichten entspricht“, erklärt Scheller. „Das heißt aber noch lange nicht, dass tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen beidem besteht.“
Dennoch hält auch Scheller Culture Hacks für sinnvoll: „Letztendlich gehört es zu den Aufgaben einer Führungskraft, Irritationen anzubringen, zu beobachten, wie das System darauf reagiert, und mit den Wechselwirkungen zu jonglieren.“ Software-Experte Martin Bartonitz sieht vor allem den manipulativen Ansatz von Culture Hacking kritisch: „Der Hacker versucht, andere zu etwas zu bewegen, ohne dass er seine Ziele offenlegt“, erklärt der Optimal-Systems-Manager. „Es besteht die Gefahr, Menschen massiv zu demotivieren, wenn die Betroffenen merken, dass sie manipuliert wurden.“
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