So geht Datenanalyse von morgen

Im Gespräch mit Dr. Helge Heß von der Software AG

von - 14.09.2020
Dr.Helge Heß
Dr. Helge Heß: CHief Evangelist bei der Software AG
(Quelle: Software AG )
Wie ist der Status quo in Sachen Business Intelligence und wie analysieren Unternehmen in Zukunft ihre Daten? Helge Heß, Chief Evangelist bei der Software AG, gibt einen Ausblick auf die BI von morgen.
com! professional: Herr Heß, welche Innovationen haben sich im Bereich Business Intelligence in den vergangenen Jahren durchgesetzt?
Helge Heß: Aus technologischer Sicht haben sich Big-Data-Architekturen und -Frameworks auf breiter Front etabliert. Data Governance, also mit welchen Standards und Prozessen geht das Unternehmen mit seinen Daten als wertvolle Assets um, wird weiterhin eine Herausforderung für Unternehmen bleiben. Wenn man sich die Auswirkungen der DSGVO-Regularien in der Finanzindustrie oder dem Gesundheitswesen ansieht, ist klar, dass eine transparente Data Governance unverzichtbar für jedes Unternehmen ist.
Mit der steigenden Zahl vernetzter Geräte und Sensoren wird die ereignisgesteuerte Verarbeitung von IoT-Daten und deren Auswertung in Echtzeit weiterhin massiv an Bedeutung gewinnen, weil daraus auch ganz neue Geschäftsmodelle entstehen.
com! professional: Gibt es auch sogenannte Little Stars, also neue Themen mit Potenzial für die Zukunft?
Heß: Als Little Stars sind konkrete Anwendungsfelder von Analyse-Software zu sehen. Beispielsweise hat sich ein großer Bedarf an Process-Mining-Lösungen entwickelt, mit denen Unternehmen die reale Ausführung von End-to-End-Geschäftsprozessen wie die Auftragsabwicklung oder Beschaffung überwachen und analysieren, um optimierend eingreifen zu können.
com! professional: Sicher gibt es auch Technologien, die als Hype nicht wirklich lieferten, was sie versprachen …
Heß: Ohne die Leistungsfähigkeit von Machine-Learning-Ansätzen in Zweifel zu ziehen, muss man objektiv konstatieren, dass dies kein neues Thema ist und die Künstliche Intelligenz in den letzten 40 Jahren auch einige Phasen (KI-Winter) hatte, in denen der Fortschritt nicht mit den überzogenen Erwartungen mithalten konnte. Wir werden jetzt sehen, in welchen Bereichen KI wirklich eine tragende Rolle bei der Entscheidungsfindung spielt. 
com! professional: Vor allem das Internet of Things gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Welche Relevanz haben neue Datenquellen heute und was kann man in den kommenden Jahren noch erwarten?
Heß: Die Ausbreitung des Internet of Things ist ganz sicher als weiterer Megatrend zu sehen. Im industriellen Umfeld geht es beispielsweise um komplexe Sensorik in Industrieanlagen, mit deren Hilfe Produktionsprozesse so gesteuert und überwacht werden, dass auf jede Abweichung reagiert werden kann. Predictive Maintenance, die proaktive Wartung von Anlagen, auf Basis dieser Sensorik ist sicher einer der greifbarsten Anwendungsfälle im Kontext der Industrie 4.0.
com! professional: Immer häufiger hört man den Begriff Modern BI. Wie definieren sie diesen Begriff?
Heß: Nur noch in wenigen Branchen kann man sich den Luxus erlauben, auf Informationen zu warten, die periodisch als Reports geliefert werden. Fast überall muss in so kurzer Zeit auf Ereignisse und Veränderungen bei Kunden, Zulieferern, Märkten und Prozessen reagiert werden, sodass Analysen heutzutage eine zentrale Rolle in fast allen Geschäftsbereichen spielen. Modern BI adressiert diese Anforderung durch Selfservice-Tools, die es auch einem Business-User erlauben, flexibel Analysen zu erstellen und mit Kollegen zu teilen, um schnell Entscheidungen treffen zu können.
com! professional: Kurzum - bei Modern BI geht es um mehr als eine organisatorische Verankerung von Analysen im Unter­nehmen…
Heß: Nachdem Business Intelligence ursprünglich in der IT-Organisation verantwortet war, ist im letzten Jahrzehnt ein deutlicher Trend zu Selfservice-BI mit Verantwortung auf der Business-Seite sichtbar.
Die analytischen Anwendungsgebiete unter der Überschrift „Insights-driven Business“ sind allerdings mittlerweile so breit, dass die Frage nach der Verantwortung nicht mehr schwarz-weiß zu beantworten ist, sondern es in der Regel eine Business-Verantwortung mit IT-Unterstützung gibt.
com! professional: Die Corona-Pandemie hat nicht wenige Unternehmen in die Krise gestürzt. Sind Daten ein Ausweg? Und wie kann Data Analytics mir als CXO helfen, die Krise zu bewältigen - und dabei vielleicht auch neue Chancen aufzeigen?
Heß: In sehr vielen Unternehmen waren durch die Corana-Krise wichtige Beschaffungs- und Distributionsprozesse massiv gestört, da die globalen Logistikwege nicht mehr funktionierten. Für Unternehmen ist es elementar, diese Situationen möglichst zeitnah zu erkennen und nach alternativen Möglichkeiten zu suchen. Hier spielt die Analyse von Prozessdaten - im Sinn von Process Mining - eine zentrale Rolle.
Im Vorteil waren diejenigen Unternehmen, die ein Business Continuity Management System (BCMS) aufgebaut hatten, das Risiken bewertet und Notfallpläne bereithält. Auch hierzu ist Voraussetzung, Informationen über den Status der relevanten Geschäftsbereiche zu bekommen und diese zeitnah zu analysieren.
Als weiterer Aspekt der Krise wird es wichtiger, Kunden über viele Kanäle zu erreichen; unternehmerischer Erfolg hängt davon ab, dass man die gesamte Customer Journey im Blick hat und Kundenverhalten in Echtzeit auswerten kann - dies ist das Einsatzgebiet von Tools für Customer Journey Analytics.
com! professional: Wie geht es Ihrer Ansicht nach mit der Daten­analyse weiter?
Heß: Unternehmen werden analytische Technologien noch stärker als proaktives Prognose-System einsetzen. In Krisensituationen gilt es, auch bei einer unvollständigen Informationslage Entscheidungen zu treffen.
IT-Unterstützung ist dann erforderlich, um What-if-Szenarien durchzuspielen, die Parameter wie Mitarbeiterverfügbarkeit oder Lieferantenausfälle berücksichtigen. Dies sind sicherlich Anwendungsfälle, in denen Machine-Learning-Ansätze zum Einsatz kommen werden.
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