ERP-Systeme werden zu offenen Plattformen

Cloud, KI und Best of Breed

von - 07.01.2020
Die 10 wichtigsten ERP-Themen
Prioritäten der ERP-Anwender: Für die Nutzer von ERP-Systemen sind drei Themen besonders wichtig - Datensicherheit, Datenmanagement und rechtliche Vorgaben.
(Quelle: Trovarit (n = 1.415 Unternehmen) )
Trotzdem erzwingen auch hier die Herausforderungen der Digitalisierung Veränderungen. Aufschlussreich sind dazu die Zahlen der aktuellen Studie "ERP in der Praxis" der Unternehmensberatung Trovarit. Demnach verfolgen die ERP-Anwender eine Taktik der kleinen Schritte. 45 Prozent der rund 2200 befragten Unternehmen wollen in ihr ERP investieren. Dabei setzen aber nur die wenigsten Firmen auf eine Neuinstallation, sondern überwiegend auf eine Erweiterung oder teilweise Modernisierung ihrer bestehenden Systeme. Denn beim Kauf einer neuen Lösung fallen neben den Anschaffungskosten Schulungen für die Mitarbeiter an, zum Teil sind zudem ein Doppelbetrieb und die Adaption neuer Prozesse notwendig. Diesen Aufwand nehmen Unternehmen nur in Kauf, wenn sie sich von der Implementierung einen wesentlichen Vorteil versprechen - oder wenn die IT-Schmerzen zu groß sind.
"Ein wesentlicher Treiber für Änderungen ist, wenn die Pflege der ERP-Systeme und ERP-Applikationen zu aufwendig wird, die bestehende ERP-Lösung keine Schnittstellen für notwendige Services aus der Cloud bietet, etwa bei IoT-Projekten, oder sich damit zum Beispiel neue gesetzliche Anforderungen nur mit hohen Investitionen umsetzen lassen", weiß Frank Termer vom Bitkom.
Natürlich haben die ERP-Anbieter bereits auf die neuen Anforderungen reagiert und die Integrationsfähigkeit ihrer Systeme mit externen Anwendungen verbessert. Daraus entwickelte sich vielfach eine hybride Landschaft, in der ein zentrales, meist lokal betriebenes ERP-System durch mehrere cloudbasierte Speziallösungen erweitert wurde. Zudem bieten fast alle ERP-Hersteller ihre Software auch als Service aus der Cloud an und lösen ihre Monolithen Schritt für Schritt auf.
Frank Termer
Frank Termer
Bereichsleiter Software, Bitkom
www.bitkom.org
Foto: Bitkom
„Die ERP-Hersteller müssen sich überlegen, wo sie sich positio­nieren: Suchen sie nach Partnern, klinken sie sich in eine modu­larisierte Plattform ein, bauen sie diese Plattform selbst?“
"Die Zukunft gehört modularen ERP-Plattformen, die sich über offene Schnittstellen beliebig erweitern lassen, auch um Anwendungen anderer Anbieter. Die Kunden bauen sich dann in einer Art Best of Breed ihre eigene Lösung zusammen", so Frank Termer. Die ERP-Funktionen mit ihren fachlichen Geschäftsprozessen bleiben demnach weiter das Nervensystem der Firma, nur sind diese nicht mehr als großer Software-Block organisiert, sondern verteilt auf kleinere Einheiten.
"Moderne ERP-Systeme bleiben als Datendrehscheibe ein zentraler Teil der Software-Landschaft in Unternehmen, sind aber bei Weitem nicht der einzige", ergänzt Lars Landwehrkamp. Hinzu kämen Bereiche wie Customer Experience, Personal-Management, Performance Management, Planung oder agiles Arbeiten. Solche Lösungen aus den Fachbereichen werden laut Landwehrkamp zunehmend die ERP-Anwendungen ergänzen und werden schon heute überwiegend aus der Cloud bereitgestellt.
Das nahtlose Zusammenspiel der einzelnen Komponenten wird daher zur Schlüsselfrage in Unternehmen. "Solche Orchestrierungsleistungen sind das Betriebssystem von morgen. Die 'Best of Breed'-Frage muss daher neu gedacht werden. ‚Best of Breed‘-Lösungen bezogen auf die Enterprise- Management-Software im engeren Sinne sind auf dem Rückzug. 'Best of Breed' im Sinne der gesamten Corporate IT, also etwa CRM und HR eingeschlossen, sind auf dem Vormarsch", so Lars Landwehrkamp weiter.
Diese ERP-Zukunft dürfte sich vorwiegend in der Cloud abspielen. "Im Moment befinden sich viele Firmen in einer Zwischensituation mit einem hybriden Szenario aus einem lokal installierten Core-ERP-System, das um Spezialfunktionen aus der Cloud ergänzt wird. Manche Firmen setzen nur auf On-Premise-Lösungen, andere auf ERP als Komplett-Service aus der Cloud", stellt Matthias Zacher von IDC fest. Als Treiber für den Weg in die Cloud sieht er den Druck aus den Fachabteilungen, die schnell neue Funktionen benötigen und daher eine effiziente IT erfordern.
Laut IDC entwickeln sich ERP-Systeme in Richtung Intelligent ERP, kurz iERP. In der
ersten Stufe ermöglichen sie den Echtzeitzugriff auf Daten, die sie aus unterschiedlichen Datenquellen aggregieren. Ein Beispiel dafür ist die In-Memory-Datenbank SAP HANA, die Daten direkt im Arbeitsspeicher der Server vorhält und damit sehr schnelle Analysen ermöglicht. Aufgaben wie die Materialbedarfsplanung dauern damit statt Stunden nur noch Minuten.
In der zweiten Ausbaustufe kommen intelligente Anwendungen hinzu, die maschinelles Lernen nutzen und etwa über Algorithmen und Predictive Analytics automatisiert Bestellungen oder Servicevorgänge auslösen. Und in der dritten und umfassendsten Stufe, so IDC-Analyst Matthias Zacher, werden die ERP-Systeme selbst anspruchsvollere Entscheidungsvorgänge meistern: "Das wird dann nicht mehr regelbasiert sein, sondern die Systeme werden dazulernen und kontext­basierte Entscheidungen treffen. Ergänzt wird das durch Themen wie Spracheingabe oder auch die direkte Anbindung der Partner. Das ist aber fast immer noch Zukunftsmusik."
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